St. Anna

Der Orden der Karmeliter kam um 1275 nach Augsburg, um sich in der rasch wachsenden Handelsstadt niederzulassen. Die Klöster der Karmeliter waren nicht, anders als bei anderen Orden, den Ortsbischöfen unterstellt. Daher war es den Mönchen jederzeit erlaubt, zwischen Klosterniederlassungen zu wechseln. Damit war der Orden einer der fortschrittlichsten seiner Zeit. Durch den regen Austausch der Ordensgemeinschaften untereinander hatte der Orden sehr gute Skriptorien, in denen die mittelalterliche Wissenschaft nicht nur kopiert, sondern auch aktiv vorangetrieben wurde. Schon bald entwickelte sich auch die Augsburger Niederlassung zum geistigen/wissenschaftlichen Zentrum der Stadt. Das Karmeliterkloster mit Klosterkirche wurde um 1321 fertiggestellt. Seitdem wurde die Klosteranlage mehrfach umgebaut und erweitert. Trotzdem hat sich die Anlage bis heute ihr mittelalterliches Aussehen zu großen Teilen bewahrt. So kann man im Inneren der Kirche Baustile aus über 600 Jahren Kirchengeschichte entdecken. Zu großer Bedeutung gelangte das Kloster zu Zeiten der Reformation. Im Jahr 1518 übernachtete hier Martin Luther, als er sich vor dem streng katholischen Kardinal Thomas Cajetan (*1469, †1534) für seine Thesen verteidigen musste. Als Stadt der Fugger war Augsburg damals eine Hochburg der Katholiken. Die Dynastie der Fugger finanzierten mit ihrem Geld unter anderem die Kriege des streng-katholischen Kaiser Rudolf II. (*1552, †1612) und hatten damit großen politischen Einfluss. Luther verweigerte jedoch das Zurückziehen der Thesen und floh stattdessen mithilfe eines Bruders des Klosterordens der Karmeliter aus der Stadt. Dadurch wurde Luther von den kaiserlichen Truppen nicht festgenommen und die Reformation nahm ihren Lauf. Wenige Jahre später schlossen sich die Klosterbrüder der Karmeliter der Reformation an, der damalige Klostervorsteher heiratete. In der Kirche St. Anna wurde 1525 der erste evangelische Gottesdienst Augsburgs gefeiert. Dadurch wurde die Kirche zum Vorreiter der Reformation in der Region.