Die antisemitische Erzählung vom „jüdischen
Geldverleiher“ entstand im Mittelalter und hält
sich bis heute hartnäckig. Damals wurden
jüdische Bürger häufig mit dem Vorwurf
konfrontiert, sie hätten wegen eines angeblichen
christlichen Zinsverbots das Kreditwesen
dominiert. Tatsächlich existierte ein solches
generelles Zinsverbot für Christen nie – sowohl
jüdische als auch christliche Bürger traten im
Mittelalter als Geldverleiher auf. Es erscheint
daher unwahrscheinlich, dass christliche Bürger
sich bevorzugt an jüdische Geldgeber gewandt
hätten, wenn sie bei christlichen Kreditgebern
bessere Bedingungen erhalten hätten. Im
Mittelalter galten die Fugger und die Medici als
die größten Geldverleiher - sie stellten weitaus
höhere Kreditsummen zur Verfügung.
Darüber hinaus wurden jüdische Geldverleiher
des Wuchers – also übermäßiger Zinsforderungen
– beschuldigt, was eine weitere antisemitische
Erzählung darstellt. Dieses Klischee wurde über
Predigten, Bilder und Literatur verbreitet und
diente über Jahrhunderte hinweg als Grund für
Diskriminierung und Vertreibung.