Biographien

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert spielten jüdische Bürger in Deutschland eine zentrale Rolle in der Kunst und Wissenschaft. Viele bedeutende Wissenschaftler, Künstler und Denker, darunter Albert Einstein, Max Born und Felix Mendelssohn Bartholdy, trugen entscheidend zur Entwicklung von Naturwissenschaften, Musik und Literatur in Deutschland bei. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann eine Welle der Verfolgung und Diskriminierung, die zur Emigration zahlreicher jüdischer Wissenschaftler, Künstler und Denker führte. Diese „Flucht der Köpfe“, auch als „Brain Drain“ bekannt, führte zu einem erheblichen Verlust an Wissen und kreativer Energie für Deutschland. Viele der Emigranten, wie Albert Einstein und Bertolt Brecht, trugen in den USA und anderen Ländern maßgeblich zur Wissenschaft, Kunst und Kultur bei, was die internationale Bedeutung des Exils unterstrich. Der Verlust an intellektuellem und künstlerischem Potenzial schwächte das deutsche Kultur- und Wissenschaftsleben erheblich. Dadurch hatte Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr die gleiche führende Rolle in diesen Bereichen. Es waren aber eben nicht nur die weltbekannten Namen von Einstein, Brecht und Born, sondern es gab überall im damaligen Deutschen Reich jüdische Künstler und Schriftsteller, die vielen heute unbekannt sind. Der heute kaum bekannte Pädagoge, Historiker und Schriftsteller Isaak Herzberg (*1857, †1936) ist ein solches Beispiel. In Aurich geboren, lebte er die meiste Zeit seines Lebens in Bromberg (heute Bydgoszcz in Polen) und lehrte dort an der jüdischen Schule. In dieser Zeit war er auch als Schriftsteller tätig und verfasste neben Jugendbüchern mit Märchen, Sagen und Legenden auch eine Chronik über die Geschichte der jüdischen Gemeinde in dieser Region. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs zog er nach Kassel. Yitzhak Raveh (*1906, †1989) wurde als Franz Reuß in Aurich geboren. Wenige Jahre nach seiner Geburt zog er mit seinen Eltern nach Berlin. Er studierte und promovierte in Jura. Der angesehene Rechtsanwalt Raveh war ab 1931 als Amtsrichter in Berlin-Charlottenburg tätig. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten floh er nach Palästina, arbeitete dort zunächst bei einer Organisation deutscher Emigranten und wurde 1952 zum Bezirksrichter in Tel Aviv. Im Jahr 1961 war er Mitglied des rechtsprechenden Organs im Eichmann Prozess, bei dem der SS- Obersturmbannführer Adolf Eichmann für seine Verbrechen während der nationalsozialistischen Diktatur zum Tode verurteilt wurde. Wilhelm Kroner (*1870, †1942 im Ghetto Theresienstadt) wurde in der Osterstraße 6 geboren. Er war deutscher Jurist in Berlin und Mitglied der SPD. Zwischen 1925 und 1933 war er Rat am Preußischen Oberverwaltungsgericht, von 1921 bis 1933 Vorsitzender des Republikanischen Richterbundes sowie von 1922 bis 1933 Herausgeber, Schriftleiter und Mitautor der Zeitschrift „Die Justiz“. Sie wurde zu einer rechtspolitisch bedeutenden und auch für Laien verständlichen Zeitschrift. Im Jahr 1933 wurde Kroner aus dem Dienst entlassen. 1942 wurden seine Frau und er ins Ghetto Theresienstadt deportiert – er starb dort 12 Tage nach seiner Ankunft im Alter von 72 Jahren. Seine drei Kinder konnten in die Schweiz fliehen und überlebten den Holocaust.