Schwefelbadgärten

Im Mittelalter war die Wasserversorgung von Balingen nicht immer ganz leicht, denn das Grundwasser und damit die natürlicherweise in Balingen auftretenden Grundwasserquellen sind durch die geologischen Gegebenheiten mit Schwefel angereichert. Der Schwefel wird dabei durch das sauerstoffreiche Grundwasser aus den Gesteinen des Schwarzen Juras gelöst. Diese sind reich an Pyrit (auch Katzengold genannt; chemische Formel FeS 2 ), welches aus Eisen und Schwefel im Stoffmengenverhältnis von 1:2 besteht. Entstanden sind diese Schichten vor über 230 Millionen Jahren. Damals sah es hier noch ganz anders aus: ein warmes, tropisches Meer namens Tethys bedeckte weite Teile der Region. Aufgrund der Plattentektonik lag die Region zudem deutlich weiter südlich nahe des Äquators. Am Boden des Meeres lagerten sich durch die vielen kalkhaltigen Schalen der Meeresbewohner mächtige Kalkschichten ab. Die Weichteile der Tiere verfaulten am Boden des Meeres, wodurch Faulschlamme entstanden, die über Jahrmillionen schließlich zur Bildung von Pyriten führte. Diese schwefelhaltigen Quellen sind typisch für den nördlichen Rand (der sogenannte Albtrauf) der Schwäbischen Alb. Durch tektonische Prozesse bei der Entstehung der Schwäbischen Alb ist der Untergrund von Felsspalten durchzogen, in der Geologie spricht man von einem zerklüfteten Untergrund. Wenn nun das sauerstoffreiche Grundwasser durch diese Spalten im Untergrund zirkuliert, löst es die Pyrite auf und es entsteht schwefelhaltiges Grundwasser. Obwohl das Wasser aufgrund des Schwefels nach faulen Eiern riecht, ist es trotzdem trinkbar und sogar gut für den Körper. Bereits in der Antike war die heilende Wirkung schwefelhaltigen Grundwassers bekannt. In Balingen entdeckte man diese wohltuenden Eigenschaften im 15. Jahrhundert neu und begann, sie gezielt zu nutzen. Um 1465/1490 wurde eine erste Badestube in Balingen erwähnt, die das Wasser und deren heilende Wirkung nutzte. Ihre genaue Lage dieser ersten Badestube bleibt ungewiss, vielleicht lag sie entlang des Etzelbaches. Im Laufe der Jahrhunderte versiegten die Quellen immer wieder und neue Quellen wurden gefunden, sodass das Badehaus immer wieder verlegt wurde, zwischenzeitlich gab es sogar zwei: das untere und das obere Badehaus. Das obere Badehaus befand sich in einem der Stadtmauertürme der oberen Stadt, doch die exakte Lage dieser beiden Badehäuser ist unbekannt. Durch den Stadtbrand von 1824 wurde das obere Badehaus in den Bereich rund um die heutigen Schwefelgärten verlegt. Mit der Verlegung und dem Neubau des Badehauses entstand ein bescheidener Kurbetrieb rund um den Bogen der Steinach. Um 1841 kamen etwa 125 Gäste nach Balingen und blieben manchmal etliche Wochen zur Kur. Um 1880 wurde das Badehaus auf diese Seite der Steinach verlegt und im Bereich des heutigen Spielplatzes ein neues Badehaus errichtet. Trotz kräftiger Werbung für die Kur durch die Stadt entwickelte sich nie wirklich ein Kurbetrieb in Balingen. Um 1970 wurde der Badebetrieb eingestellt und das Badehaus abgerissen. Im Zuge der Gartenschau 2023 wurde der Bereich rund um die Steinach neu gestaltet und als Gartenanlage erlebbar gemacht. Heute erinnert nur noch der Name der Parkanlage an die lange Geschichte der Schwefelquellen in Balingen. In der Wilhelm-Kraut-Straße befindet sich die letzte gefasste Schwefelquelle (vgl. Station 16).
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ungefährer Verlauf der inneren und äußeren Stadtmauer vor dem Stadtbrand 1809 auf heutigem Stadtplan, der Verlauf des Mühlkanals des Stadtbachs und des Etzelbachs Rekonstruktionsversuch auf Grundlage des Stadtgrundrisses von Chr. Speidel (1880)
Stadtbach
Mühlkanal
Etzelbach