Bettelvogtturm

Im frühen Mittelalter war das Leben in Deutschland (also im späteren Gebiet von Deutschland) weitestgehend bäuerlich geprägt. Es gab kaum größere Siedlungen und die Menschen lebten in kleinen Dörfern im Land verstreut. Die Region war dünn besiedelt, die Bevölkerungszahl im Jahr 650 betrug nur zwei Millionen Menschen 1 . Weite Teile waren von undurchdringlichen Wäldern bedeckt. Fast alle Dinge des Lebens wurden in Eigenproduktion oder für eine kleine Gruppe im Dorf hergestellt. Es waren kleine und überschaubare Dorfstrukturen ohne großen Kontakt zum Umland. Ab dem Hochmittelalter diversifizierte sich die Wirtschaft zunehmend und es entstanden mit der Ansammlung verschiedener Handwerker erste Städte. Dadurch veränderte sich das Wirtschaftsleben komplett. Es entwickelten sich seit der Antike nach fast 500 Jahren wieder erste Städte in Deutschland bzw. Europa. Sehr schnell wandelten sich die Städte zu mittelalterlichen Wirtschaftszentren. Zahlreiche Menschen kamen in die Städte, um vom wirtschaftlichen Erfolg zu profitieren. Allerdings zogen die Städte nicht nur wohlhabende bzw. junge Leute an, sondern auch arme, alte und gebrechliche Personen, die dem tristen Landleben entfliehen wollten. Sie erhofften sich Unterstützung in den Städten, lebten jedoch oftmals als Bettler in den engen, verwinkelten Gassen der Stadt. Sie wurden von vielen Bürgern nicht gerne gesehen und wurden von der Gesellschaft ausgegrenzt. Die Nacht verbrachten sie manchmal in den städtischen Spitälern oder anderen Unterkünften, bettelten jedoch tagsüber in den Straßen. Um sie kümmerte sich der sogenannte Bettelvogt. Er war ein Angestellter der Stadt, der nicht immer nett mit den Schwächsten der Gesellschaft umging. Ortsfremde Bettler durften maximal drei Tage in der Stadt bleiben, ortsansässigen Bettlern wurde ein geduldeter Aufenthaltsort zugewiesen. Der hier stehende Bettelvogtturm ist nach dem Bettelvogt benannt, der ab dem 16. Jahrhundert in dem Turm lebte. Zu dieser Zeit erhielt der mittelalterliche Stadtmauerturm sein heutiges Aussehen.

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https://www.mittelalter-lexikon.de/wiki/Bev%C3%B6lkerungs-

_und_Einwohnerzahlen