Ensemble Bentinksweg
Die kleinen Wohnhäuser im Bentinksweg stehen
in großem Kontrast zu den expressionistischen
Bauten der 1920er Jahre. Ab dem späten 19.
Jahrhundert und vor allem in den Jahren nach
1900 entwickelte sich in Europa eine starke
nationalistisch geprägte Stimmung. Diese trat
auch in der Architektur zunehmend in
Erscheinung. Gerade in Deutschland hatte man
das Gefühl, keinen nationalen Baustil zu haben.
Die Baustile des Mittelalters (Romanik, Gotik
und Renaissance) und die daraus
entstandenen Stile des Historismus wurden
maßgeblich durch die Entwicklungen in
Frankreich und Italien geprägt und kamen im
mittelalterlichen und neuzeitlichen Deutschland
in kaum veränderter Art zum Einsatz. Viele
Bürger der damaligen Zeit befürchteten, dass
durch eine „globale“ Architektur die regionalen
und lokalen Bauweisen verloren gingen.
Schlussendlich würden dann ja alle Städte
gleich aussehen.
Außerdem hatten die Bürger mitbekommen,
wie massiv sich die Städte im 19. Jahrhundert
im Zuge der Industrialisierung verändert
hatten, vor allem durch den Abbruch
mittelalterlicher Bauten und dem damit
verbundenen Neubau größerer (Verwaltungs-)
Bauten im Stil des Historismus. Daraus
entstand in Deutschland unter anderem die
sogenannte Reformarchitektur, zu der eine
ganze Reihe unterschiedlicher Strömungen
zählen, die sich zum Teil auch regional
unterscheiden. Die große Gemeinsamkeit der
Reformarchitektur war die Abkehr von den
Baustilen des Historismus.
Das Bauensemble im Bentinksweg stammt aus
der Zeit um 1905 und gehört zur sogenannten
Heimatschutzarchitektur, eine Strömung der
Reformarchitektur. Der Heimatschutzstil
entstand um 1900 und wandte sich gegen die
zunehmende Industrialisierung und
Urbanisierung der Städte und Vorstädte. Man
versuchte mit dem Baustil die traditionelle und
regionaltypische Bauweise zu erhalten und
diese dennoch weiterzuentwickeln. Der
Heimatschutzstil betont handwerkliche Qualität,
lokale Materialien und historische Bauformen,
um die Identität und Kultur einer Region zu
schützen und zu fördern. Das Wort
"Heimatschutz" steht für den Schutz der
Heimat, was sich sowohl auf die gebaute
Umgebung als auch auf die landschaftliche und
kulturelle Identität bezieht.
Die Wohnhäuser wurden aus roten
Ziegelsteinen – nicht Klinkern – errichtet (vgl.
Station 2), was seit Jahrhunderten der typische
Baustein der Region war. Die Fenster und der
Dachgiebel sind reich verziert. Die Nutzung von
Holz erinnert entfernt an alpenländische
Architektur und ist historisch betrachtet nicht
typisch für die gewachsene ostfriesische
Architektur, in der nur selten Holz als
Zierelement zum Einsatz kam.
Nimm dir einen Moment Zeit und erkunde die
Architektur der Wohnhäuser in der Straße.
Dieses Haus hat wieder einen reich verzierten
Giebel mit Holzschmuck, auch wenn es sich um
vergleichsweise einfache Formen handelt.
Bei diesem Haus ist auch die Lampe über der Tür
im Originalstand der 1920er Jahre erhalten.
Dieses Haus ist besonders reich verziert, vor
allem der hölzerne Giebelschmuck ist typisch für
die Heimatschutzarchitektur, auch wenn Holz
historisch betrachtet kein so bedeutender
Baustoff im ostfriesischen Raum war. Über den
Fenstern sind prächtige Schmuckelemente zu
sehen.
Typisch für die Heimatschutzarchitektur ist der
ganz einfach gestaltete Giebel aus Holz [1], das
umlaufende Gesims [2] und die Verzierungen an
den Fenstern [3].
Kleines Wohnhaus mit einfachen Verzierungen
rund um Tür und Fenster.