Waagegasse
Die Waagegasse sieht auf den ersten Blick sehr
unscheinbar aus, eine enge, schmale Gasse in
der Erfurter Altstadt. Kaum vorzustellen, dass
diese Gasse im Mittelalter von herausragender
Bedeutung war.
Seit dem Jahr 805 hatte die Stadt Erfurt das
Stapelrecht. Dies bedeutete, dass alle Waren,
die auf den Fernstraßen durch Erfurt
transportiert wurden, in der Stadt angeboten
werden mussten und so auch ein paar Tage hier
gelagert werden mussten.
In der Waagstraße mussten alle Waren
abgeladen werden und in den städtischen
Waagen gewogen werden. Die Waagen lagen in
der Michaelisstraße, die Waaggasse war die
verpflichtende Zufahrt zu den Waagen. Hier
mussten alle Fuhrwerke durch, Waren abladen
und diese in den Stadtwaagen wiegen lassen.
Die Gasse wurde also mit Absicht so eng
gebaut, sodass sich kein Händler heimlich
vorbeischleichen konnte. Bis heute sind die
Lagerhäuser aus dieser Zeit in der Waaggasse
erhalten. Hier konnten die Händler gegen
Bezahlung ihre Waren lagern. Die heutigen,
dreigeschossigen Lagerhäuser stammen aus
dem 16. und 17. Jahrhundert.
Im Mittelalter gab es unterschiedliche Waagen,
je nachdem, was für eine Ware gewogen
wurde. Das Gewicht gab dann vor, wie hoch der
maximale Preis der Ware auf dem Markt sein
durfte. Folgende Waagen waren in der
Michaelisstraße zu finden:
Garnwaage
Die kleinste Waage war die Garnwaage. Hier
wog man relativ leichte Dinge wie
beispielsweise Garn, Gewürze und ähnliche
Güter, die nicht über 1/2 Zentner (50
Kilogramm) wogen. Auch Nägel aller Art,
Schare (Pflugschare), Sensen, Futterschneiden,
Messerklingen, Schaufeln und Plattnersbleche
(zu Harnischen und Beinschienen) wurden hier
abgewogen.
Schmerwaage
Schwerere Waren wurden in der sogenannten
Schmerwaage gewogen. Hierzu zählte
beispielswese Butter, Schmalz, Unschlitt, Käse
und frisches bzw. getrocknetes Fleisch. Diese
Waren wurden in Zentnern (100 Kilogramm),
ganzen und halben Tonnen abgewogen.
Krämerwaage
Trockene Waren, die nicht über 8 Zentner
wogen, wurden in der Krämerwaage
abgewogen. Hierzu zählten Waren wie
beispielsweise Wachs, Zinn, Salpeter, Zwirn,
Blaugarn, Rosinen, Mandeln und Feigen.
Sinderwaage
Noch größere Gewichtsmengen an Krämerware
wurden in der Sinderwaage abgewogen. Hier
war das Gewicht bis zu 10 Zentner (1000
Kilogramm). Besonders Sinder (Alaun), Pech,
Kupfer, Hanf und Wolle gehören dazu. Für diese
Güter hatte man jeweils besondere
Gewichtsbezeichnungen. Sinder wurde wagen-
und karrenweise berechnet, das Gewicht wurde
in „Saum" angegeben. Dabei war ein Saum
etwa 2 Zentner und 28 Pfund, etwa 212
Kilogramm.
Pech wurde in „Klösen" gewogen, die Wolle in
„Stein": 1 Zentner hat 16 Stein. 4 Stein (also
1/4 Zentner) war 1 „Cluder" und 7 Stein = 2
Cluder.
Kupfer, Zinn usw. wurde nach „Berggewicht"
berechnet, 1 Zentner betrug 115 Pfund.
Bösse Waage
Die Bösse Waage war die Waage, in der die
schwersten Waren abgewogen wurden. Hier
wurden beispielsweise Glockenspeise (eine
spezielle Legierung, um Glocken zu gießen),
Wachs und ähnliches gewogen.
Waagegasse
In der Waagegasse (Einbahnstraße) mussten alle
Waren abgeladen und eingelagert werden.
Anschließend ging es zum Wiegen. Die Waren
mussten danach auf den Märkten angeboten
werden.