Nikolaiturm
Der Nikolaiturm, auch Klausturm genannt,
steht in der westlichen Altstadt nahe der
ehemaligen mittelalterlichen Stadtmauer.
Ursprünglich war der Nikolaiturm der Kirchturm
der Godehardi-Kirche (auch St. Godehard
genannt). Bis heute ist das genaue Alter der
Kirche unbekannt, möglicherweise stammte sie
aus dem 11./12. Jahrhundert und war damit
eine der ältesten Kirchen der Stadt. Im Jahr
1340 wurde sie zur Pfarrkirche erhoben. Es ist
nicht abschließend geklärt, ob die Kirche schon
damals einen Kirchturm hatte – manche
Quellen zitieren eine Jahreszahl von 1360, die
am Turm zu finden sei.
Benannt ist der Turm nach einem alten Nikolai-
Altar, der in der mittelalterlichen Kirche
gestanden haben soll
1
. Der hl. Nikolaus ist der
Patron der Händler, Fischer und Schiffer.
Damals war die Bevölkerung noch deutlich
gläubiger und abergläubischer. Bevor die
Händler und Schiffer aufbrachen, gingen sie in
die Kirche um sich den Segen Gottes
abzuholen. Dieser sollte sie auf ihrer Reise in
die Ferne vor „Unheil“ schützen.
Das Patronat des hl. Godehard spricht auch für
eine sehr alte Kirchengründung. Godehard von
Hildesheim (*960, †1038) war Bischof von
Hildesheim und gehört zu den bedeutendsten
Heiligen des Mittelalters. Zu seiner Amtszeit
gründete er beispielsweise das Kloster Hersfeld
(im heutigen Bad Hersfeld) und war damit in
der Region missionarisch tätig. Daher wäre es
sogar gut möglich, dass er auch in Eschwege
eine Kapelle gründete. Manche Geheimnisse
der langen Eschweger Geschichte wird man
wohl nie lüften.
Eine gut sichtbare Inschrift in großer Höhe des
Turmes bezeugt jedenfalls, dass es im Jahr
1455 zu Umbauten am Turm kam. Dabei ist
unklar, ob der Turm damals neu errichtet wurde
oder ein bestehender Turm aufgestockt wurde.
Mit der Reformation in Eschwege verfiel die
Kirche. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die
Kirche zusätzlich schwer beschädigt, auch der
Turm wurde zerstört. Manche der Steine der
Kirche nutzte man zum Bau einer neuen
Werrabrücke. Daran sieht man, wie „wertvoll“
Steine zu der damaligen Zeit waren. Durch das
„Recycling“ musste man keine neuen Steine im
Steinbruch brechen und sparte damit jede
Menge Zeit und Geld.
Im Jahr 1733 sanierte man den Turm und
setzte das Fachwerkgeschoss und die heutige
Turmspitze auf. Nun nutzte man ihn als
Wachturm. Es ist unbekannt, ob auch der
mittelalterliche Kirchturm auf diese Weise
genutzt wurde; die Nähe zur Stadtmauer lässt
es vermuten.
Bis ins Jahr 1931 lebte auf dem Turm ein
Turmwächter. Seine Aufgabe war es, durch das
Blasen seines Horns den Tag der Menschen zu
strukturieren. Im Mittelalter und der Neuzeit
gab es kaum Uhren, zudem konnten die
wenigsten Menschen diese lesen. Stattdessen
übernahmen Kirchturmglocken und Hornbläser
diese Aufgabe. Sie bliesen beispielsweise in ihr
Horn, wenn es zur Arbeit ging und als der
Arbeitstag beendet war.
Zusätzlich wachte der Turmwächter über die
Stadt und schlug bei einer Gefahr Alarm. Dies
waren nicht nur Feinde, sondern vor allem
Gewitter, Hochwasser, Unwetter oder
Stadtbrände. Bis ins 19. Jahrhundert waren
Stadtbrände eine der größten Bedrohungen der
Städte. Denn damals waren nicht nur die
meisten Häuser aus Holz (Fachwerk mit
Strohdach) errichtet, sondern man heizte und
kochte damals noch mit offenem Feuer.
Heute ist der Turm ein Aussichtsturm, der im
Sommer geöffnet ist. Von oben hat man einen
wunderschönen Blick über Eschwege.
1
Hoferock (1922), wie in Jacob und Wiegand (1992) zitiert.