St. Marien

Die Kirche St. Marien liegt direkt am Ufer des Leinekanals. Die genaue Geschichte dieses Kanals ist bis heute nicht geklärt. Archäologische Ausgrabungen entlang des Kanals ergaben, dass es sich ursprünglich um einen Seitenarm der Leine handelte. Seit dem Mittelalter nutzten die Göttinger das Wasser und drängten den Wasserlauf in ein enges Bachbett. Nach der Gründung der Stadt Göttingen (vgl. Station 1) war der Leinekanal für viele Jahrzehnte die Stadtgrenze nach Westen. Der Bereich westlich des Kanals gehörte weiterhin zum Herzogtum Braunschweig-Lüneburg und wurde vom Herzog selbst verwaltet und entwickelt. Er ließ westlich des Kanals ab 1290 die „Neustadt“ errichten. Diese Siedlung war ein machtpolitisches Gegengewicht zur Stadt Göttingen und sollte verhindern, dass der Stadtrat zu mächtig wurde. Zu dieser Zeit wurde die Kirche St. Marien errichtet, der Kirchturm diente zugleich als Stadttor zur Neustadt. In den darauffolgenden Jahrzehnten kam es zu einem Machtkampf zwischen der Göttinger Bürgerschaft und dem Herzog von Braunschweig-Lüneburg. Schlussendlich gewann die Göttinger Bürgerschaft den Zwist und zwang den Herzog 1319 zur Aufgabe der Neustadt. Er verkaufte die Neustadt an die Bürgerschaft. Anschließend wurde der Siedlungsbereich der Neustadt durch verschiedene neu gegründete städtische Einrichtungen gestärkt. Dadurch zeigten die Bürger ihre Macht gegenüber dem Herzog. Bevor die Neustadt jedoch in der Stadt Göttingen aufging, schenkte der Herzog von Braunschweig-Lüneburg im Jahr 1318 die Marienkirche dem Deutschen Orden. Anschließend errichtete der Orden den an die Kirche angrenzenden Wirtschafts- und Verwaltungshof. Der Orden erwarb in den darauffolgenden Jahrhunderten große Ländereien rund um Göttingen, welche er an Bauern des Umlandes verpachtete (verlehnte). Dadurch entwickelte sich der Deutsche Orden zu einem bedeutenden, mächtigen und reichen Orden in der Stadt. Ab 1324 war die Ordenskirche auch eine bedeutende Pfarrkirche in der Stadt und wurde immer wieder erweitert und umgebaut. Erst im Zuge der Säkularisation um 1809 wurde die Macht des Deutschen Ordens gebrochen und die Kirche fiel an die Stadt. Der heutige Bau stammt zu großen Teilen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, während das Kircheninnere erst im späten 19. Jahrhundert sein heutiges Aussehen bekam. Dadurch ist kaum noch etwas von der einst prächtigen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ausstattung erhalten. Besonders sehenswert ist der Hauptaltar aus dem Jahr 1526. Er zeigt die Passions- und Mariengeschichte.
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ungefähre Lage der Kommende mit Hauptgebäude , Nebengebäuden / Scheune und Garten
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Göttingen um 1300 mit „Neustadt“ und Kommende Abbildung in Anlehnung an Denecke [1979]
ehemaliges Gebäude des Deutschen Ordens - Hofansicht
Wappen des Deutschen Ordens an der Fassade
ehemaliges Gebäude des Deutschen Ordens - Straßenansicht