Göttinger Quantenphysik
im Nationalsozialismus
Bereits in der Weimarer Republik gab es in
Göttingen eine wachsende Unterstützung der
NSDAP, deren Stimmenanteil konstant über
dem Reichsdurchschnitt lag. Die NSDAP in
Göttingen entstand im Jahr 1921 im Umfeld der
Universität, wobei viele der Gründer dem
nationalkonservativen Milieu angehörten. In
den späten 1920er Jahren begann die
Hochschulgruppe des Nationalsozialistischen
Deutschen Studentenbundes verstärkt gegen
linke und liberale Gruppen zu agieren, was
1931 zu einer absoluten Mehrheit in der
Studentischen Kammer führte.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im
Jahr 1933 hatte verheerende Auswirkungen auf
die Universität Göttingen, insbesondere auf die
Physik. Die nationalsozialistische Regierung
setzte eine Politik der „Gleichschaltung“ um, die
nicht nur das politische und soziale Leben
beeinflusste, sondern auch tief in die
Wissenschaften und die universitäre Struktur
eingriff.
Eine der ersten und gravierendsten
Maßnahmen der Nationalsozialisten war die
„Ausschaltung“ von jüdischen Forschenden und
Intellektuellen. Das „Gesetz zur Wieder-
herstellung des Berufsbeamtentums“ von 1933
ermöglichte es der Regierung, „nicht-arische“
ProfessorInnen und wissenschaftliche
Mitarbeiter aus ihren Positionen zu entfernen.
Göttingen, als eines der führenden wissen-
schaftlichen Zentren der Welt, war von dieser
Entwicklung besonders betroffen. Zahlreiche in
ihren Feldern führenden WissenschaftlerInnen
und ProfessorInnen wurden aus dem Dienst
entlassen, teils wurden ihnen auch ihre
Doktortitel aberkannt, so auch Max Born. Als
jüdischer Bürger wurde er aus seiner Professur
in Göttingen entlassen, woraufhin er
emigrierte.
Neben der Verfolgung von jüdischen
WissenschaftlerInnen und der Emigration von
führenden PhysikerInnen aus Göttingen, gab es
auch eine wissenschaftliche „Säuberung“. Die
Nationalsozialisten forderten eine „deutsche
Physik“, die sich auf die wissenschaftlichen
Theorien und Ideen konzentrierte, die mit den
nationalsozialistischen Ideologien
übereinstimmten. Einsteins Relativitätstheorie
und die Quantenphysik wurden als „undeutsch“
und „jüdische Physik“ abgetan, da sie auf den
Arbeiten von Albert Einstein, Max Born und
anderen führenden, jüdischen PhysikerInnen
beruhte, die nach den Maßstäben der
Nationalsozialisten als „problematisch“ galten.
Dieser Versuch, die Physik ideologisch zu
vereinnahmen, führte zu einer weitgehenden
Isolierung und Verzögerung des Fortschritts in
der Physik.
Der Verlust vieler führender Köpfe in der Physik
und anderer Disziplinen hatte tiefgreifende
Auswirkungen auf die wissenschaftliche
Atmosphäre in Göttingen und in ganz
Deutschland. Die Universität Göttingen, die
zuvor als eines der bedeutendsten Zentren der
theoretischen Physik galt, verlor viele ihrer
führenden WissenschaftlerInnen und die
Forschung stagnierte. Gleichzeitig flohen viele
PhysikerInnen und MathematikerInnen ins
Ausland, insbesondere in die USA,
Großbritannien und andere Länder, wo sie ihre
Arbeit fortsetzen konnten.
Viele der führenden PhysikerInnen kehrten nach
dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Göttingen
zurück, um den Wiederaufbau der deutschen
Physik voranzutreiben. Göttingen, einst ein
Zentrum der modernen Physik, profitierte von
der Rückkehr bedeutender Wissenschaftler wie
Max Born, der nach seiner Emigration nach
Großbritannien 1948 zurückkehrte. Unterstützt
durch die Alliierten und die junge Bundesrepublik
Deutschland, die den wissenschaftlichen
Wiederaufbau förderte, konnte die Universität
Göttingen ihre internationale Bedeutung
wiedererlangen. Die Rückkehr dieser
PhysikerInnen, die neue internationale
Perspektiven und Entwicklungen aus der
Quantenphysik und anderen Bereichen
mitbrachten, halfen der Stadt, ihre Rolle als
führendes Zentrum der Wissenschaft in
Deutschland und weltweit wiederaufzubauen und
zu festigen.
Die Aula der Georg-August-Universität Göttingen
wurde 1837 anlässlich des 100-jährigen
Bestehens der Universität eingeweiht. Gestiftet
wurde sie damals von König Wilhelm IV. von
Großbritannien und Hannover, damit die
Universität über einen Repräsentativbau für
Feierlichkeiten verfügt.
An der Fassade neben dem Eingang hängt eine
Gedenktafel. Sie erinnert an die Forschenden der
Georg-August-Universität, die während der
nationalsozialistischen Herrschaft verfolgt und /
oder entlassen wurden.