Schloss Lieser
Um das Jahr 1710 stand an dieser Stelle ein
großer Klosterhof, wahrscheinlich gehörte er
zum Bistum Trier. Für den Bau des Schlosses
wurde der Klosterhof mit seinen Neben-
gebäuden abgerissen. Zwischen 1884 und 1887
entstand das Schloss Lieser im Stil der
Neorenaissance. Errichtet wurde es in der
Blütezeit Liesers, als der Ort einen Haltepunkt
an der neuen Eisenbahnlinie zwischen
Wengerohr und Bernkastel-Kues bekam.
Die trierische Industriellenfamilie Puricelli ließ
das Schloss errichten, sie stammte ursprünglich
aus Italien. Giacomo Antonio Puricelli (*1719)
wanderte um 1750 vom Comer See nach
Deutschland ein und war durch die Stahl-
industrie im Hunsrück und entlang des
Mittelrheins zu Wohlstand gekommen. Später
engagierten sich die Nachfahren auch im frühen
Gasgeschäft. Der Bauherr des Schlosses war
Eduard Puricelli (*1826, †1893), der die
Fertigstellung des Schlosses nicht mehr
miterlebte.
Seine Tochter und Alleinerbin heiratete den
hohen preußischen Beamten Clemens Freiherr
von Schorlemer-Lieser (*1856, †1922). Sie
erweiterten den Schlossbau zwischen 1895 und
1906 deutlich, wobei die neuen Schloss-
anbauten jetzt im Jugendstil errichtet wurden.
Anhand dieser unterschiedlichen Bauweisen
kann man bis heute die beiden Schlossbereiche
voneinander unterscheiden.
Nimm dir einen Moment Zeit und entdecke die
Architektur dieses beeindruckenden Bauwerkes.
Das Schloss wurde aus vier unterschiedlichen
Gesteinsarten errichtet:
Der rote Sockel [1] besteht aus Buntsandstein.
Die gräuliche Fassade [2] ist der typische
Moselschiefer (vgl. Station 2).
Die Verzierungen der Fassade [3] bestehen aus
hellem Sandstein, dem Udelfanger Sandstein.
Dieser stammt aus dem unteren Muschelkalk
(geologische Zeit der Kreide, vor 243 bis 240
Millionen Jahren) und wurde nahe Trier
gebrochen. Alle Säulen im Inneren des Schlosses
sind aus einem weiteren Sandstein, dem
Burgpreppacher Sandstein. Dieser triassische
Sandstein kommt aus der Region rund um
Haßfurt (nördliches Bayern) und wird seit
Jahrhunderten als Baustein genutzt. Aus diesem
Sandstein wurden beispielsweise Teile des
Bamberger Doms errichtet, aber auch Teile des
Reichstags in Berlin und das Hamburger Rathaus
wurden aus diesem Burgpreppacher Sandstein
erbaut.
Der westliche Gebäudeteil wurde im Jugendstil
errichtet. Ganz typisch sind die runden Formen
an den Fenstern, die an organische Strukturen
erinnern. Vor allem die Fabeltiere [1] und die
Verschnörkelungen an den Brüstungen des
Balkons [2] sind typische Jugendstilornamente.
Die Fassade wird durch ein Zahnfries [3]
abgeschlossen. Das Dach hat mehrere Gauben,
in der Architektur spricht man von einem
Zwerchdach [4], wenn es quer zum Hauptfirst
verläuft.
Der neorenaissancezeitliche Schlossteil ist reich
verziert. Die Ecksteine, auch Eckquader genannt,
betonen die Hausecken des Gebäudes [1]. Der
Giebel wird durch kleine Obelisken [2]
geschmückt. Abgeschlossen wird der Giebel
durch einen kleinen Segmentgiebel [3]. An
zahlreichen Stellen am Giebel kommen
schneckenförmige Voluten [4] vor. Das
Brüstungsfeld des Erkers [5] zeigt reiche
Schmuckformen und erinnert an
renaissancezeitliche Bauten. Die Fassade wird
durch ein Zahnfries [6] abgeschlossen. Die
Fensterrahmungen sind leicht rustiziert [7] und
haben vereinzelte Hervorhebungen.
Der Hauptteil des neorenaissancezeitlichen
Schlosses wird durch mehrere Fassadenbilder
geschmückt. Hier werden Industrie [1] und
Landwirtschaft [2] romantisiert. Unter dem Dach
verläuft ein bunt verzierter Fries mit floralem
Motiv [3]. In den Fensterbereichen neben dem
Erker kommen weitere Ornamente [4] vor. Die
Fenster werden von Säulen [5] und kleinen
Pilastern geschmückt. Pilaster sind nur zu Teil
aus der Fassade stehende Säulen. Auf dem
Dachfirst sieht man geschmiedeten Dachschmuck
[6], ein sogenanntes Firstgitter. Solch ein
Schmuck war ganz typisch für die Gründerzeit.