St. Anna Kapelle
Ursprünglich lag rund um die Pfarrkirche St.
Peter in Ketten (vgl. Station 12) der Friedhof,
der um 1829 aufgelöst wurde. Um 1300
2
wurde
auf dem Friedhof direkt an der Stadtmauer eine
Friedhofskapelle errichtet – andere Quellen
sprechen vom 15. Jahrhundert
3
. In der Kapelle
gab es nicht nur einen Andachtsraum, sondern
auch einen Beinkeller. Nachdem Gräber auf
dem Friedhof aufgelöst wurden, brachte man
die Gebeine in den Beinkeller – im Mittelalter
und bis in die Neuzeit eine weitverbreitete
Tradition.
Die letzten erhaltenen Teile dieser
mittelalterlichen Friedhofskapelle findet man
heute in der Fachwerkzeile. Mit der Auflösung
des Friedhofes 1829 nutzte man die kleine
Friedhofskapelle nicht mehr, sodass sie
zunehmend verfiel. Heute ist nur noch der
Chorbereich der Kapelle erhalten und dient als
Andachtsraum für die Gefallenen der
Weltkriege.
Das Fachwerkhaus wurde um 1501 als Vikarie
errichtet. Hier lebte der Vikar, der Stellvertreter
des trierischen Erzbischofs in Montabaur. In
seine Wohnung gelangte er über die
Stadtmauer. Die Baugeschichte des
Fachwerkhauses, welches den Chorbereich der
Kapelle umgibt, ist etwas seltsam. Warum man
den Chorbereich der Friedhofskapelle damals
umbaute ist unklar. Vielleicht waren es
Platzprobleme innerhalb der Stadtmauer, die
dazu führten. In den spätmittelalterlichen
Städten nahm im Laufe der Zeit das
Platzproblem immer mehr zu. Damals benötigte
man die schützende Stadtmauer noch und
konnte sie auch nicht einfach verlegen, um
weitere Bauplätze zu schaffen.
Rechts des Chorbereichs schloss sich
ursprünglich das Schiff der Kapelle an, welches
nicht mehr erhalten ist. Anstelle des Schiffs
wurde im späten 17. Jahrhundert das bis heute
erhaltene Fachwerkgebäude errichtet. Auch
dieses war im Besitz der Kirche und wurde
zeitweise als Latein- bzw. Knabenschule
genutzt (vgl. Station 10).
Die St. Anna Kapelle wird umgangssprachlich
auch als Fuhrmannskapelle bezeichnet. Dabei
ist die genaue Herkunft dieses Namens
weitestgehend unbekannt, auch wenn man sich
immer wieder mit den Namen und seiner
Herkunft befasst hat. Die hl. Anna ist jedenfalls
nicht die Schutzpatronin der Fuhrleute, dies ist
seit jeher der hl. Christophorus. Auch dass die
Kapelle in späterer Zeit von Fuhrleuten saniert
bzw. umgebaut wurde, kann inzwischen
weitestgehend ausgeschlossen werden. Die
meisten Fuhrleute lebten am Existenzminimum
und hätten nie die Summen für einen Umbau
aufbringen können. Zudem wäre solch eine
bedeutende Stiftung sicherlich irgendwo
festgehalten worden.
Im späten 19. Jahrhundert schloss die
kaiserliche Oberpostdirektion einen Vertrag mit
einem lokalen Fuhrunternehmen, welches dann
die Postgeschäfte im Montabaur übernahm.
Sein Sitz war damals am Marktplatz, etwa 10
Minuten zu Fuß entfernt. Da zu dieser Zeit, vor
etwas mehr als 100 Jahren, das Überlandfahren
für Fuhrleute mit großen Gefahren verbunden
war, gingen die Fuhrleute damals vor der
Abfahrt in die Kapelle, um sich vor ihrer Abreise
den Segen zu holen und dankten dort Gott
nach einer heilen Rückkehr.
Dem aktuellen Wissen nach ist diese Erklärung
wahrscheinlich der Grund für den in der
Bevölkerung bis heute gebräuchlichen Namen
Fuhrmannskapelle, auch wenn der Name
wahrscheinlich nur etwas mehr als 100 Jahre
alt ist.
2
lt. Roth (2013)
3
lt. Tafel an dem Gebäude