Judengasse

Im Laufe der Zeit hat sich das Stadtbild von Nassau immer wieder gravierend verändert. Alte Gebäude wurden abgerissen und durch neue ersetzt. Komplette Straßenzüge sind aus dem Stadtbild verschwunden. An dieser Stelle lag einst ein kleiner Platz, von dem mehrere Gassen abgingen, unter anderem auch die Judengasse, teils auch als Judengässchen bezeichnet. Während der NS-Zeit wurde es zum Postgässchen umbenannt, bis es schließlich beim Stadtumbau in den 1950er Jahren ganz aus dem Nassauer Stadtbild verschwand. Die genaue Namensherkunft der Judengasse ist nicht ganz klar. An der Ecke Späthestraße / Judengasse lag wahrscheinlich der erste jüdische Betraum in Nassau (vgl. Station 9). Vielleicht gab dieser Betraum der schmalen Gasse den Namen. Jedenfalls lebten in der Judengasse nur wenige jüdische Bürger, ein Ghetto gab es in Nassau nie. Jahrhundertelang lebten jüdische und christliche Bürger in Nassau relativ friedlich zusammen. Im 17. und 18. Jahrhundert wohnten über 90 % der jüdischen Bürger im ländlichen Raum und in Kleinstädten. Seit den Pogromen des Mittelalters, vor allem durch den Pestpogrom in der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden die jüdischen Bürger aus den Städten verdrängt und fanden in einem der vielen Territorien des Heiligen Römischen Reiches Zuflucht und ein neues Zuhause – auch wenn sie hier durch das Judenregal hohe Abgaben zahlen mussten. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich der Begriff Landjudentum für diese gezielte Vertreibung jüdischen Lebens aus den Städten und das damit verbundene Aufblühen jüdischer Kultur im ländlichen Raum. Teils überlebte das Landjudentum bis ins 20. Jahrhundert. Erst durch Forschung in den letzten Jahrzehnten wurde die große Bedeutung des damaligen Landjudentums für die wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raumes erkannt. Noch immer wird die Geschichte des Landjudentums nicht ausreichend gewürdigt. Da der jüdischen Bevölkerung auch im ländlichen Raum der Zugang zu den Zünften verwehrt blieb, durften sie viele Berufe nicht ausüben und mussten solche wählen, die als freie Berufe keinen Zunftzwang hatten. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert waren viele jüdische Bürger erfolgreiche Viehhändler und agierten oftmals Mittler von Information, Nachrichten und Neuigkeiten zwischen den Städten und dem ländlichen Raum.
Nassau im 19. Jahrhundert auf heutigem Stadtplan: ungefährer Verlauf der damaligen Judengasse
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ungefähre Lage der damaligen Judengasse , die vom Platz abging