Grauer Turm

Schon im 14. Jahrhundert hatte Nassau eine Verteidigungsanlage rund um die Stadt, es war jedoch keine Stadtmauer, sondern ein sogenannter Stadtzaun: ein Wall mit Holzpalisaden und einfachen Stadttoren. Vor dem Wall lag ein Graben, der teils mit Wasser geflutet war. Auf dieser Weise hat man versucht, den unerlaubten Zugang zur Stadt etwas zu erschweren. Im Jahr 1546 befahl der damalige Stadtherr, den Stadtzaun von Nassau durch eine Stadtmauer und Stadttoren aus Stein zu ersetzen. Es entstand eine steinerne Stadtmauer, die zunächst als Ringwall bezeichnet wurde. Schon damals gab es kürzere Mauer-Abschnitte im Stadtzaun, die nun in den neuen Mauerring integriert wurden. Die Stadtmauer wurde aus Bruchsteinen errichtet, die in den Steinbrüchen der Umgebung gebrochen wurden. Bruchsteine sind Steine, die unbehauen aus dem Steinbruch kamen und direkt verbaut wurden. Damit sparte man sich das mühsame Behauen der Steinblöcke. Damals gab es auch noch keine Kräne, Baumaschinen oder motorisierte Transportmittel. Alle Steine wurden mit der Hand gebrochen und dann mit Pferde- oder Ochsenkarren zur Baustelle transportiert. An der Baustelle angekommen, wurden die Steine mit einfachen Seilwinden oder hölzernen Kränen an die richtige Position gehoben. Auch das Baugerüst an der Stadtmauer bestand aus Holz - sicherlich eine etwas wackelige Angelegenheit. Es ist unbekannt, wie oft es auf den damaligen Baustellen zu Unfällen kam. Die etwa sieben Meter hohe Stadtmauer war bis zu zwei Meter breit. Entsprechend viele Steine wurden für den Bau benötigt. Die Mauer wurde von den Bürgern finanziert und errichtet. Trotz der erheblichen Kosten war die Mauer für die Einwohner von großer Bedeutung. Allerdings musste die Mauer immer wieder ausgebessert werden. Im Laufe der Zeit wurde beispielsweise der Mörtel brüchig oder die Mauer nahm durch Hochwasser Schaden. Im Jahr 1670 wurden weite Teile der Mauer entlang der Lahn bei einem Hochwasser unterspült, weshalb diese daraufhin einstürzte. Daher achtete man beim Wiederaufbau des Mauerabschnittes auf ein besonders großes Fundament. Archäologische Untersuchungen zeigten außerdem, dass man vor die Stadtmauer Eichenstämme in den Boden gerammt hatte, die als Wellenbrecher dienten. Heute sind nur noch wenige Teile der Stadtmauer erhalten. Der Graue Turm wurde 1414 erstmals erwähnt. Die Stadtmauer und die Türme waren im Besitz der Stadt, der Graue Turm hingegen war der Turm der Stadtherren. Jahrhundertelang diente der Turm als Gefängnis. Außerdem befand sich hier die Verhörstube. Hier kam es im 16. und 17. Jahrhundert auch zum Verhör von „Hexen“, die anschließend außerhalb der Stadt hingerichtet wurden. Zwischen 1550 und 1650 kam es in weiten Teilen Deutschlands zur Hexenverfolgung, wobei zumeist Frauen und Mädchen betroffen waren. Zu dieser Zeit gab es große Veränderungen in der Gesellschaft und der Umwelt. Damals sanken die Durchschnitts- temperaturen in Europa durch die „Kleine Eiszeit“, was Missernten und Verlust an Vieh zur Folge hatte. Zudem kam es zu verheerenden Seuchen und großen Kriegen (z. B. Dreißigjähriger Krieg). Das führte zu Verunsicherung in der Bevölkerung und man begab sich auf die Suche nach Schuldigen. Man machte Frauen, Mädchen und Männer für diese Unglücke verantwortlich, die nicht in das damals typische gesellschaftliche Schema passten. Sie wurden völlig unschuldig zum Tode verurteilt und hingerichtet.
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Nassau im 19. Jahrhundert auf heutigem Stadtplan: ungefährer Verlauf der damaligen Stadtmauer mit Toren und Türmen