Fräuleinshof

Der Fräuleinshof ist ein begrünter kleiner Platz, der etwas versteckt eine idyllische Oase in Norden bildet. Schon das heutige Gebäudeensemble lässt vermuten, dass es sich hier um eine sehr alte Anlage handelt. Ursprünglich lag hier eine Münzprägestätte. Im Jahr 1264 wurde der Orden der Dominikaner damit beauftragt, an dieser Stelle eine Klosteranlage zu gründen. Bereits wenige Jahre später soll die Klosteranlage bezugsfertig gewesen sein. Im 13. Jahrhundert wurde das damalige Norderland immer wieder von Hungersnöten und Naturkatastrophen (beispielsweise Sturmfluten) heimgesucht. Die Mönche sollten den Frieden wahren und missionieren. Wahrscheinlich sollten sie zusätzlich für den sechsten Kreuzzug ins Heilige Land friesische Krieger anwerben. Die friesischen Krieger waren für ihre Furchtlosigkeit bekannt und daher bereits zu Zeiten Karl des Großen geschätzt – wodurch den Friesen der Sage nach die Friesische Freiheit verliehen wurde. Mehrere friesische Häuptlingsfamilien förderten nach der Gründung das Kloster. Schon bald war es eine mächtige Institution in der Region und vermittelte mehrfach bei regionalen Streitfragen. Beispielsweise 1269 sollen sie eine Auseinandersetzung zwischen der Emder und Bremer Bürgerschaft geschlichtet haben. Zusätzlich vermittelten sie zwischen den Häuptlingsfamilien für einen dauerhaften Frieden in der Region. Im Jahr 1527 kam es im Norderland zur Reformation. Die Mönche waren wichtige Treiber dieser umfassenden Veränderung. Schon ein Jahr später wurde das Kloster aufgelöst. Der damalige Graf Enno II. von Ostfriesland (*1505, †1540) ließ die Klostergebäude abreißen bzw. zu seiner Residenz umbauen. Wenige Jahre später wurde die Residenz durch den Überfall Nordens von Balthasar von Esens gebrandschatzt. Wenig später wurde der Fräuleinshof errichtet, um 1587 als „Frowkens Hoff“ erstmals erwähnt. Es bleibt bis heute unklar, wer ihn für welchen Zweck errichtet hat. Laut des Ostfriesischen Hofpredigers Johann Friedrich Bertrams (*um 1699, †1741) stammt der Name daher, dass hier die nach dem Tod ihres Mannes Graf Edzard II. (*1532, †1599) verwitwete Prinzessin Catharina Wasa (*1539, †1610) zusammen mit ihren Töchtern bis zu ihrem Tod lebte. Neuere Quellen vermuten, dass Graf Enno II. von Ostfriesland das Gebäude errichten ließ, damit seine beiden unverheirateten Schwestern (damals als Fräuleins bezeichnet) Theda und Armgard hier wohnen konnten. 1 Mit der Säkularisation des Klosters wurde nicht nur der Fräuleinshof errichtet, sondern auch ein Schulgebäude für das bis heute hier stehende Ulrichsgymnasium. Seine Anfänge liegen in einer Lateinschule, die um 1511 gegründet wurde. Die Schule nutzte zunächst Räume im Alten Rathaus, bevor sie an diesen Standort umzog. Das Ulrichsgymnasium zählt zu den ältesten Gymnasien Deutschlands und ist nach Graf Ulrich II. benannt.
Heute sind vom ehemaligen Dominikanerkloster kaum mehr Spuren zu finden. Bei Bauarbeiten auf dem Schulhof wurden immer wieder einige Grundmauern der Klosteranlage freigelegt. Bis heute prägt das Kloster die Stadt und die ganze Region. Im Jahr 1877 entdeckte der Heimatforscher Friedrich Sundermann in Norden und der größeren Umgebung das Aufrechte Glaskraut. Es ist eine Pflanze aus der Familie der Brennnesselgewächse, welche ursprünglich im Klostergarten der Benediktiner wuchs und dort als Heilpflanze kultiviert wurde. Ursprünglich kommt sie nicht in Norden bzw. Mitteleuropa vor. Bei solchen Pflanzen spricht man auch von Neophyten. Da das Aufrechte Glaskraut jedoch um bzw. vor dem Jahr 1500 in die Region kam, spricht man auch von einem Archäophyt. Inzwischen findet man das Aufrechte Glaskraut nicht nur rund um das Klostergelände in Norden, sondern auch vereinzelt in Lingen und auf der Nordseeinsel Borkum.
Ursprünglich war Ostfriesland keine geschlossene Grafschaft, sondern bestand aus zahlreichen einzelnen Ländereien und Städten. Im Laufe des 14. Jahrhunderts entstanden die ersten größeren Länder, die Häuptlingsherrschaften. Immer wieder kam es zwischen ihnen zu Streitigkeiten und Krieg. Langsam etablierte sich die Idee, eine zusammenhängende Herrschaft in Ostfriesland zu bilden. Zunächst scheiterten diese Versuche durch die mächtigen Häuptlingsfamilien tom Brook und Ukena. Im Jahr 1464 wurde Ulrich Cirksena (*um 1408, †1466) durch den damaligen deutschen Kaiser Friedrich III. (*1415, †1493) zum ersten Grafen von Ostfriesland erhoben, wodurch die Grafschaft Ostfriesland entstand. Ulrich Cirksena stammte wahrscheinlich aus Norden. Nach der Erhebung in den Grafenstand war er Ulrich I. von Ostfriesland.

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Ausführungen auf https://www.norder-stadtgeschichte.de/Fr%C3%A4uleinshof,

aufgerufen am 19.01.2024

Schulhof vom Ulrichsgymnasium
Aufrechtes Glaskraut Bild: Franz Xaver (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Parietaria_officinalis_3.jpg), „Parietaria officinalis 3“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode