Altes Rathaus
Ursprünglich lagen im Bereich der heutigen
Stadt Sindelfingen mehrere alemannische
Dörfer, die sich schon bald nach dem Rückzug
der Römer (ab etwa 260 n. Chr.) bildeten. Über
diese Zeit ist nur wenig bekannt. Der
Stadtname Sindelfingen geht auf eine dieser
alemannischen Siedlungen zurück. Ab dem
Frühmittelalter kam es zur Christianisierung
der Region. Schon im 8. Jahrhundert soll es
hier einen hölzernen Vorgängerbau der
späteren Martinskirche gegeben haben.
Vor dem Jahr 1059 gründete Graf Adalbert II
von Calw (auch Atzinbart genannt, †1099) ein
Doppelkloster und legte damit den Grundstein
für das spätere Stift Sindelfingen. Schon
wenige Jahre später (um 1066) gingen die
Mönche und Nonnen des Klosters nach Hirsau
in das dort wiederaufgebaute Aureliuskloster.
Aus dem Sindelfinger Kloster wurde ein
weltliches Chorherrenstift.
Um das Jahr 1130 gelangten das Chorherren-
stift und das Dorf Sindelfingen über Uta von
Schauenburg (*um 1115 oder 1120, †um
1197) in den Besitz des Hochadelsgeschlechts
der Welfen. Sie war die Erbtochter des Grafen
Gottfrieds von Calw und die Frau des Herzogs
Welfs VI. (*1115, †1191). Daraufhin kam es zu
einem Erbstreit, wodurch das Dorf Sindelfingen
im Jahr 1133 von Utas Vetter Adalbert IV. von
Calw in Brand gesetzt wurde. Trotz dieser
Erbstreitigkeiten blieb das Dorf und das Stift
Sindelfingen im Besitz Herzog Welf VI., der die
bereits um 1083 begonnenen Bauarbeiten an
der Stiftskirche bis 1132 vollendete und damit
der Bauherr der heutigen Stiftskirche ist. Zu
dieser Zeit ließ Herzog Welf IV. eine Münze
beim Stift errichten.
Schon zu merowingischer Zeit gab es im
Bereich der heutigen Altstadt erste
Siedlungsplätze. Im Jahr 1263 gründete
Pfalzgraf Rudolf II von Tübingen-Herrenberg
(Der Scherer genannt, *1276, †1316)
Sindelfingen als Planstadt mit Stadtmauer und
Stadttoren im Norden und Süden.
Im Jahr 1351 wurde Sindelfingen an
Württemberg verkauft (ab 1369 endgültig
1
)
und damit zu einer Landstadt in Württemberg.
Lange Zeit gehörte Sindelfingen zum Amt
Böblingen, was immer wieder zu Spannungen
mit der Nachbarstadt führte. Erst 1605 wurde
Sindelfingen ein selbstständiges Amt ohne
Amtsorte.
Das alte Rathaus aus dem Jahr 1478 bildete
das bürgerliche Zentrum der mittelalterlichen
Stadt. Vor dem Bau des Gebäudes lag hier
bereits seit mehr als 200 Jahren ein
Versammlungsplatz der Bürger, sodass für die
Errichtung des Rathauses kein älteres Gebäude
abgerissen werden musste.
Das Rathaus hat einen Sockel, der
hauptsächlich aus dem im nahen Schönbuch
gebrochenen Stubensandstein besteht –
vereinzelt kommen auch Kalksteine vor. Der
Stubensandstein entstand vor etwa 228 bis 208
Millionen Jahren während der geologischen Zeit
der Trias in einem trocken-heißen
Wüstenklima. Damals waren weite Teile des
heutigen Deutschlands von einer Wüste
bedeckt. Sporadisch transportierten große
Flusssysteme Schutt und Sand aus den
umliegenden Gebirgen in diese
Wüstenlandschaft. Noch heute kann man in den
Ablagerungen des Stubensandsteins vereinzelt
Bodenbildungen erkennen, die bei den
Überschwemmungen entstanden sind.
Innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern
gab es keinen Marktplatz, deshalb verfügte das
Rathaus über keine Markthalle oder Laube, wie
man sie von anderen mittelalterlichen
Rathäusern kennt. Dies könnte ein Grund sein,
weshalb das mittelalterliche Sindelfinger
Rathaus deutlich kleiner ausfällt als
vergleichbare Rathäuser ähnlich großer Städte.
Im Jahr 1538 wurde an das Rathaus das
Salzhaus angebaut. Damals passte man die
Architektur des Neubaus an den Stil des
Rathauses an, wodurch ein einheitliches
Ensemble entstand. Im Salzhaus lagerte man
Lebensmittel, unter anderem das
namensgebende Salz.
Im Mittelalter wurde Salz vor allem für die
Haltbarmachung von Lebensmitteln genutzt. Es
gibt verschiedene Methoden, beispielsweise das
Pökeln oder Suren. Beim Pöckeln schichtet man
das haltbarzumachende Lebensmittel
abwechselnd mit Salz in ein Behältnis. Beim
Suren werden die Produkte in einer Salzlake
(stark salzhaltiges Wasser) gelagert. Das Salz
entzieht den tierischen Zellen das Wasser und
die Waren können nicht mehr schimmeln, denn
dem Schimmel fehlt die Feuchtigkeit.
Zwischen Salzhaus und Rathaus wurde ein
Torbogen errichtet, durch den man zum
Innenhof des Bauensembles gelangte. Dort
stand der städtische Scheuer – eine Scheune.
Heute befindet sich hier das Stadtmuseum
Sindelfingen. Der Eintritt ist frei.
Auf der anderen Seite der „Hinteren Gasse“ lag
im 1538 errichteten Haus „Lange Straße 8“ die
Stadtschreiberei. Hier arbeitete der
Stadtschreiber, der alle wichtigen Dinge der
damaligen Zeit notierte und archivierte.
Direkt neben der Stadtschreiberei steht eines
der ältesten Häuser Sindelfingens (Hintere
Gasse 1). Das unscheinbare Fachwerkhaus
wurde auf 1393 datiert. Auch wenn das Haus
seit seiner Errichtung mehrfach umgebaut
wurde, hat es sich seinen mittelalterlichen Kern
bewahrt.
1 Zecha (2013) S. 127 und Weisert (1988) S. 213
ehemalige Stadtschreiberei
ungefährer Verlauf der Stadtmauer
Abbildung in Anlehnung an: Schempp [1998]