Untere Burggasse

Straßennamen erzählen manchmal aus einem unsichtbar gewordenen Teil der Stadt- geschichte. Die „Untere Burggasse“ verrät es schon, im Mittelalter stand hier eine Burganlage bzw. ein Herrenhof. Dieser war von Abgaben befreit (frongeldbefreit). Über das Aussehen dieses Gebäude und den Besitzer ist bis heute nichts Näheres bekannt. Bisher wurden kaum schriftliche Quellen gefunden, die etwas zu dieser Anlage aussagen. Jedenfalls wurden die zugehörigen Hofanlagen beim Verkauf Sindelfingens an Württemberg um 1351/1369 zusammen mit etwas Vieh erwähnt. Um 1420/1430 wurde der Bereich aufgelöst und mit Bürgerhäusern überbaut. Die damals dort lebenden Bürger zogen in den Stiftsbezirk des Sindelfinger Stifts um. Interessanterweise waren die Hausstellen innerhalb des ehemaligen Burgbereiches weiterhin vom Frongeld befreit. Entlang der „Unteren Burggasse“ sind heute einige schöne, mittelalterliche Fachwerkhäuser erhalten. Zum Bau eines Fachwerkhauses benötigte man im Mittelalter nicht viel: Baumstämme für die Balken, Lehm und Stroh um die Gefache zu verschließen und etwas Kalkfarbe, um die Gefache vor der Witterung zu schützen. Holz war jahrhundertelang der mit Abstand wichtigste Baustoff, wurde aber auch für viele andere Zwecke benötigt. Der hohe Bedarf führte immer wieder dazu, dass große Teile Deutschlands gerodet wurden, um die Nachfrage zu stillen. In der Geschichte des deutschen Waldes kam es mindestens dreimal zu einem massiven Holzeinschlag durch den Menschen und dadurch zu großflächiger Waldzerstörung. Die erste große Rodungsphase fällt in die Zeit von etwa 500 bis 800, eine weitere fällt in die Zeit von 1100 bis etwa 1300. Die schlimmsten Zerstörungen des Waldes erfolgten in der Neuzeit zwischen 1600 und 1800. Einerseits wurde als Folge des Dreißigjährigen Krieges massenweise Holz für den Wiederaufbau zahlloser Städte gebraucht. Zudem resultierte die einsetzende Industrialisierung in einer beispiellosen Abholzung fast aller Wälder in Deutschland. Um 1800 gab es kaum noch geschlossene Wälder und flächenhafte Versteppung drohte. Inzwischen sind die meisten Wunden des Holzeinschlages aus dieser Zeit aus der Landschaft verschwunden, in manchen steilen Tälern der Mittelgebirge sind die Spuren dieses Raubbaus jedoch bis heute zu sehen.
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ehemaliger Burgbereich Abbildung in Anlehnung an: Schempp [1998]