Wohnen im Mittelalter und

in der Neuzeit

Das mittelalterliche Sindelfingen war durch Handwerk und Landwirtschaft geprägt (vgl. Station 3). Auch wenn die mittelalterlichen und neuzeitlichen Fachwerkhäuser inzwischen alle saniert wurden, sind sie noch heute stille Zeugen dieser Zeit. Das Leben in den mittelalterlichen Häusern war sehr einfach und nicht mit den heutigen Verhältnissen vergleichbar. Große Teile des Hauses waren das Jahr hindurch ungeheizt. Die meisten Häuser waren kaum bzw. gar nicht gedämmt und Fensterglas war für die Bürger noch nicht erschwinglich. Bis weit in die Neuzeit wurde meist nur die „gute Stube“ mit einem einfachen Ofen geheizt. Das Feuerholz war mühsam zu beschaffen und zudem oft teuer. Beim Kochen über offenem Feuer wurde es auch in der Küche warm, allerdings verschwand diese vermutlich auch wieder rasch über die Öffnung direkt im Giebeldreieck, die als Rauchabzug diente. Der Rauch vertrieb das im Dach oft vorkommende Ungeziefer und schützte die hier gelagerte Ernte. Mit dem Aufkommen von Schornsteinen wurden solche Öffnungen auch als Eulenloch bezeichnet. (Schleier-)Eulen und Schwalben waren als Schädlingsbekämpfer im Haus willkommen und konnten durch diese Öffnung ein- und ausfliegen. Die übrigen Räume wie die Schlafkammern, Werkstätten und Lagerräume waren ungeheizt und gerade im Winter entsprechend kalt. Im Erdgeschoss lagen meist die Werkstätten oder Unterstellmöglichkeiten für Wagen oder Karren. Die in manchen Sindelfinger Häusern gefundenen Viehställe im Erdgeschoss stammten zumeist aus dem 19. Jahrhundert, als sich die Viehhaltung grundlegend änderte. Ursprünglich war das Vieh fast das ganze Jahr auf den Wiesen und Weiden vor den Toren der Stadt und nicht innerhalb der ohnehin engen Stadtmauern. In manchen Städten gab es deshalb Scheunenviertel vor den Stadtmauern. Das Haus „Hintere Gasse 39“ wurde um 1427 errichtet und ist eines der wenigen spätmittelalterlichen Häuser, welches statt zwei sogar drei Etagen hat. Im hinteren Bereich ist es direkt an die mittelalterliche Stadtmauer bzw. auf diese aufgesetzt worden. Direkt daneben steht ein Fachwerkhaus aus dem Jahr 1605. Beide Häuser sind für heutige Verhältnisse sehr klein, vor allem wenn man sich vorstellt, dass vor 700 bis 500 Jahren meist mehrere Generationen gemeinsam unter einem Dach lebten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind alte Scheunen des 16. Jahrhunderts erhalten. Sie sind ein weiteres bedeutendes Zeugnis der Ackerbürgerstadt Sindelfingen.
Hintere Gasse 39
alte Scheunen