Haus der Handweberei

Die Weberei hat in Sindelfingen eine lange Tradition. Schon im Mittelalter und in der Neuzeit gab es in vielen Sindelfinger Familien einen Webstuhl. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, denn damals mussten die Menschen ihre Kleidung zum großen Teil selbst herstellen – es gab keine Textilfabriken und keine Bekleidungsgeschäfte. Anfangs wurden die damals als Tuche bezeichneten Stoffe aus der Flachs- bzw. Leinfaser hergestellt: die sogenannte Leinenweberei. Diese Naturfaser ist leicht zu verarbeiten, denn sie ist gut verspinnbar, koch- und sehr reißfest. Ab dem 19. Jahrhundert wurde die Leinenweberei zunehmend durch andere Fasern und Stoffe verdrängt, wie beispielsweise durch Seide und vor allem durch Baumwolle. Bis ins 19. Jahrhundert war die Entwicklung Sindelfingens als Weberstadt nicht außergewöhnlich. Im damaligen Württemberg gab es andere, deutlich bedeutendere Weberstädte wie Urach, Heidenheim oder Laichingen. Ab dem 19. Jahrhundert kam es jedoch zu einem enormen Wachstum der Weberei in Sindelfingen, wodurch die Stadt innerhalb weniger Jahre zu einer der bedeutendsten Weberstädte wurde. Die genauen Gründe für diesen rasanten Aufstieg sind bis heute unklar. Um 1832 gab es in Sindelfingen 237 Meister und 140 Gesellen, was deutlich mehr war als in den anderen Städten 6 . Die Weber in Sindelfingen setzten sich rasch mit der Nutzung von Baumwollfasern auseinander und stellten sich früh „zukunftssicher“ auf. Durch den wirtschaftlichen Erfolg mit der Weberei entstand in den 1860er Jahren die Idee, eine Webschule aufzubauen. Durch die damals auch in der Weberei einsetzende Industrialisierung änderten sich die Methoden rasch und es kam immer mehr zum Einsatz von komplexeren Webstühlen bzw. auch ersten Maschinen. Im Jahr 1864 wurde die Sindelfinger Webschule gegründet. Durch die Ansiedlung von Daimler im Jahr 1916 und vor allem durch den wirtschaftlichen Niedergang während der Weltwirtschaftskrise wurde die lange Geschichte der Weberei in Sindelfingen beendet. Das Gebäude der Sindelfinger Webschule wurde um 1900 im Jugendstil errichtet und aufgrund seiner „modernen“ Architektur zunächst von den Bürgern etwas beäugt. Heute befindet sich in dem „Haus der Handweberei“ ein kleines Museum. Der Eintritt ist frei. Ein hier ansässiger Verein setzt sich für den Erhalt der alten Handwerkstechniken ein.

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https://zeitreise-bb.de/weber/, aufgerufen am 23. 08. 2024