Knechthausen

Vom Spätmittelalter bis ins frühe 18. Jahrhundert war neben Salz aus Lüneburg, Getreide und Fisch, Bier eines der wichtigsten Handels- und Exporterzeugnisse in Stade. Viele der Kaufleute stellten eigenes Bier her, den sogenannten „Stader Kater“, und exportierten dieses über den Hafen. Nur wenig ist über dieses Bier bekannt, wahrscheinlich war es ein Weißbier 2,3 . Das Braurecht war in Stade, wie in fast allen norddeutschen Städten zu dieser Zeit, ein sogenanntes dingliches Recht, welches an ein Gebäude gebunden war. Um 1600 gab es in Stade 89 Brauereigerechtigkeiten, also Brauerlaubnisse. Diese Brauerlaubnisse waren von jeher an zahlreiche städtische Vorgaben geknüpft. So musste der Brauherr mindestens einen Brauerknecht beschäftigen. Diese Tätigkeit war harte Arbeit, wobei der Brauerknecht meist ohne feste Anstellung war – heute würde man von Leiharbeit sprechen 2 . Durch diese starken Beschränkungen des Braugewerbes, die Zerstörungen des Stadtbrands von 1659 und die Belagerung durch die Dänen im Jahr 1712 wurde damals die mittelalterliche und neuzeitliche Brauerei- geschichte jäh beendet. Danach gab es nur noch eine Handvoll von Brauhäusern in Stade. Die meisten Brauhäuser lagen entweder rund um den mittelalterlichen Hafen (Wasser-West), in der Bäckerstraße oder in der Bungenstraße. Da die Brauer das Wasser der Schwinge zum Brauen nutzten, wählten sie diese Straßenzüge mit Nähe zum Wasser. Im 14. Jahrhundert bildeten die Brauerknechte eine Gilde. Das prächtige Gildenhaus (1491 erstmals erwähnt), liegt in der Bungenstraße 25. Das heutige Fachwerkgebäude stammt aus der Zeit um 1600. Im Mittelalter ging man davon aus, dass der Genuss von Bier vor Lepra schützen würde. Neben dem Bierbrauen kümmerten sich daher die Brauerknechte um Menschen mit damals unheilbaren Krankheiten wie die Pest oder Lepra. Diese Menschen wurden von der Gesellschaft ausgeschlossen und mussten vor den Toren von Stade in dem „Spital St. Gertrud“ (1440 erstmals erwähnt) leben. Einmal im Jahr kamen die Leprakranken in die Stadt, um im Gildehaus der Brauer „begutachtet“ zu werden (die Leprosenschau). Da von ihnen eine große Ansteckungsgefahr ausging, passierte dies mit viel Getrommel – die Trommel wurde auf Mittelhochdeutsch als Bunge bezeichnet. So erhielt die Bungenstraße ihren heutigen Namen. Neben den Leprakranken kümmerten sich die Brauerknechte auch in Zeiten der Pest um die Bestattung der vielen Toten. Daraus entwickelte sich die Tradition, dass die Brauergilde auch als Totenträger arbeitete. Diese Gilde besteht bis heute und nimmt sich dieser Aufgabe an.
Fachwerkhaus mit Halbrosetten [1] und bunt- verzierten Knaggen [2].

Die älteste Brauordnung von 1598 lässt erah-

nen, wie restriktiv das Brauen damals war. Um

die produzierte Biermenge zu regulieren, muss-

ten die Brauer Erlaubnisse zum Brauen erwer-

ben, die sogenannten Orloffe. Zudem wurde

der Preis für das Bier festgelegt, wie es zu be-

zahlen war und wann man das Bier ausschen-

ken durfte: „Am Sonntag kein Ausschank vor

und während der Gottesdienstzeit!“ Am

Rathaus gab es zudem die Probebude, wo die

Qualität des Bieres überprüft wurde. Auf jede

Tonne Bier wurden vier Schilling Akzise als

Konsumsteuer erhoben.

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http://www.archaeologie-stade.de/geschichtsspuren/stader-bier/, aufgerufen am

14.11.2024

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https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic.php?t=15599, aufgerufen am

14.11.2024

 OpenStreetMap contributors
Bierbrauer in Stade im 18. Jahrhundert Grafik in Anlehnung an: Bohmbach und Schäfer (2009)
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