Leben in Armut

Das bürgerliche Leben im mittelalterlichen Trier war stark religiös geprägt. Zahlreiche Klosteranlagen dominierten das Stadtbild – heute sind nur noch wenige Klosteranlagen erhalten bzw. als solche erkennbar. Im Hoch- und Spätmittelalter beeinflussten die Mönche und Nonnen auch das gesellschaftliche und soziale Gefüge der Bürger in der ganzen Stadt. Anhand einer alten Steuerliste konnte die Sozialstruktur für die Stadt um 1363/1364 rekonstruiert werden. Rund 42% der Bevölkerung Triers lebte in Armut, zählten also zur Unterschicht. Diese Menschen wohnten vor allem in den engen Gassen im Norden und Süden der Stadt, wobei es aufgrund der vergleichsweise lockeren Bebauung innerhalb der Stadtmauer keine wirklichen „Armutsviertel“ gab. Damals waren überproportional viele Frauen von Armut betroffen. Auf den ersten Blick schockieren diese Zahlen. Der Grund für den hohen Anteil armutsbetroffener Menschen liegt zum Teil an der Dominanz der Kirche und den Klöstern in der Stadt. Viele der damals in Armut lebenden Bürger waren die Mitglieder der Bettelorden in der Stadt, die ihre Klöster in den Randlagen Triers errichteten. Sie mussten natürlich aufgrund der Vorgaben der Stifte in Armut leben und zahlten daher kaum Steuern. Da es in Trier damals viele Beginen gab, stachen die Frauen in der Armutsstatistik besonders hervor. Es war damals für viele Frauen die einzige Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben in „Freiheit“ zu führen und den Zugang zu Bildung bekommen. Im Allgemeinen waren Frauen in der mittelalterlichen Gesellschaft massiv benachteiligt und wurden meist unterdrückt. Auch in den oberen Schichten der Gesellschaft blieb ihnen nur die Rolle der Hausfrau, die sich um die Kinder und den Haushalt kümmerte. Aufgrund der hohen Kindersterblichkeit und der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen waren sie fast immer schwanger – die damalige Lebenserwartung lag ohnehin nur bei 35 bis 40 Jahren. Neben den Beginen gab es in Trier noch weitere Bettelorden. Im frühen 13. Jahrhundert ließen sich die Dominikaner und Franziskaner nieder, es folgten die Sackbrüder und die Karmeliter. Diese große Zahl an Bettelorden- Niederlassungen unterstreicht, welche große kirchenpolitische Bedeutung Trier damals hatte – die Civitas Sancta. Vor allem die Mönche der Bettelorden hatten immer einen guten Draht zum Stadtrat, weshalb die Klöster im Spätmittelalter durch Schenkungen reich begütert waren – manch ein Mönch lebte also gar nicht mehr in Armut, sondern hatte ein angenehmes Leben. Es ist ein weiterer Grund, weshalb die Mönche der Bettelorden oftmals nicht Teil zur Unterschicht gehörten, ganz im Gegensatz zu den Nonnen der Bettelorden- Klöster und Beginen-Niederlassungen. Die meisten der Klosteranlagen der Bettelorden sind heute aus dem Stadtbild verschwunden. Eine der letzten erhaltenen Anlagen in Trier ist die ehemalige Klosterkirche der Franziskaner, auch wenn sie seit ihrer Errichtung zweimal umgebaut wurde.
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Unterschichtenverteilung um 1363: die Linienstärke zeigt den prozentualen Anteil der Unterschicht in der jeweiligen Straße Ungefährer Lage der Bettelorden: Männerkonvent Begardenkonvent (Männer) Frauenkonvent Abbildung in Anlehnung an: Clemens und Kessler [2023] und Schmidt [1986]
70- 100% 70- 100% 20-30% 60-70%
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