Jüdisches Leben

Jahrhundertelang prägte jüdisches Leben die Stadt Varel. Im späten 17. Jahrhundert kamen erste Familien jüdischen Glaubens hierher. Der Bau der Christiansburg in Varel ist eng mit der jüdischen Geschichte Varels verbunden. Hier ein kurzer geschichtlicher Überblick: Mit der kurzen Herrschaft unter Christian V. war es nun jüdischen Bürgern erlaubt, sich in der Herrschaft niederzulassen. Er hatte nämlich die Religionsfreiheit durchgesetzt. Erste jüdische Familien kamen nun in die Region und lebten in bzw. bei der Burganlage im Bereich des heutigen Hafens. Mit dem Abbruch der Christiansburg siedelten die Bürger in das nahe Varel über. Der neue Herrscher, Anton II. von Aldenburg, war den jüdischen Bürgern gegenüber jedoch deutlich skeptischer eingestellt. Er hatte große Angst vor dem Zuzug vieler armer jüdischer Familien, wenn er den jüdischen Bürgern gegenüber zu liberal agierte. Es zeigt, wie ausgeprägt bereits damals der Antisemitismus in der Gesellschaft war. Um 1760 lebten gerade einmal 15 jüdische Familien in der Stadt. In der etwa 250 Jahre langen jüdischen Geschichte lebten nie viel mehr als 100 jüdische Bürger in Varel. Dennoch war das Zusammenleben von Vorurteilen und Antisemitismus geprägt. Die jüdische Bevölkerung war immer weit in der Minderheit und musste schon früh als Sündenbock herhalten. Eine der bedeutendsten jüdischen Familien in Varel war die weit verzweigte Familie Schwab- Barlewin. Die Kaufmannsfamilie prägte jahrzehntelang die wirtschaftliche Entwicklung Varels. Um 1900 lebte ein Zweig der Familie Schwabe in dem gründerzeitlichen Haus „Neue Straße 1“. Hier wurde 1892 die heute kaum bekannte jüdische Dichterin Anna Minna Schwabe (*1892, †1937) geboren. Nur wenig ist über ihr Leben und ihre Werke bekannt. Im Jahr 1913 heiratete Anna Schwabe den jüdischen Kaufmann Hans Joachimsthal. Nach der Hochzeit trug sie den Doppelnamen Joachimsthal-Schwabe. Ihr Bruder fiel 1916 im Ersten Weltkrieg, im gleichen Jahr starb ihr Vater. Nur wenige Jahre (1921) später starb auch ihre Mutter. Das Haus der Familie Schwabe wurde 1934 verkauft. Es ist bis heute unklar, ob der Verkauf bereits vom Einfluss der nationalistischen Herrschaft des NS-Regimes geprägt war. Bald nach der Hochzeit zog Anna mit ihrem Ehemann nach Dresden. In den Jahren 1914 und 1916 wurden ihre Töchter Ruth und Erika geboren. In Dresden war Anna Joachimsthal-Schwabe in der jüdischen Gemeinde sehr aktiv, wo ihre lyrische Begabung bekannt wurde. Ab den frühen 1920er Jahren prägte sie die jüdische Literaturszene Dresdens und veranstaltete Lesungen. Dabei rezitierte sie nicht nur eigene lyrische Werke, sondern gab auch jungen Künstlern eine Bühne. Im Alter von nur 44 Jahren verstarb sie. Nach ihrem Tod wurde sie auf dem jüdischen Friedhof in Dresden beigesetzt. Erst kurz vor ihrem Tod erschien ein kleiner Gedichtband. Nach dem Verlust seiner Ehefrau im Jahr 1937, wanderte Hans Joachimsthal-Schwabe mit Tochter Erika nach Großbritannien aus. Ruth war wahrscheinlich vor dem Tod der Mutter nach Palästina ausgewandert. Als Ruth zur Beerdigung nach Dresden zurückkehrte, wurde sie von der Gestapo verhaftet. Sie kam zeitweise ins Konzentrationslager Buchenwald. Auf Intervention ihres Schwiegervaters ließ man sie bald wieder frei. Nachdem auch ihr Ehemann für eine kurze Zeit verhaftet worden war, emigrierten sie in die USA. Später wanderten sie zusammen nach Israel aus. Ruth war, wie ihre Mutter, als Lyrikerin tätig.
Oldenburger Dänenzeit Der Oldenburger Graf Anton Günther (*1583, †1667) hatte keine rechtmäßigen Kinder. Nach einigen Streitereien um das nun etwas komplexe Erbe fiel die Grafschaft im Jahr 1676 an den Dänischen König Christian V. (*1646, †1699). Dadurch wurde Varel Teil des Dänischen Königreiches und gehörte nicht mehr zum Heiligen Römischen Reich. Im Jahr 1773 fiel die Grafschaft an das Herrschaftshaus Holstein-Gottorp. Damit wurde aus der Grafschaft Oldenburg ein Herzogtum. Die Zeit zwischen 1667 bis 1773 nannte man später auch die „Dänenzeit“. In Varel gab es jedoch noch eine Besonderheit: der illegitime Sohn von Graf Anton Günther war Anton I. von Aldenburg (*1633, †1680). Er erhob Anspruch auf die Grafschaft. Darüber war der dänische König Christian V. natürlich überhaupt nicht erfreut. Um seinen Besitz zu sichern, errichtete der dänische König daraufhin ab 1681 die Christiansburg - sie stand im Bereich des heutigen Hafens von Varel. Damit wollte er seinem Herrschaftsanspruch Gewicht verleihen. Weil die Anlage jedoch falsch geplant worden war, verschlickte der Wasserzugang rasch. Im Jahr 1694 wurde die Anlage bereits wieder aufgegeben. Zu dieser Zeit waren die Herrschaftsansprüche weitestgehend geklärt worden: Varel und einige andere Teile der Oldenburger Grafschaft fielen an Anton II. von Aldenburg (*1681, †1738). Er war der Sohn des inzwischen verstorbenen Anton I. von Aldenburg und wurde erst nach dessen Tod geboren. Seine Mutter, Charlotte Amélie de la Trémoille (*1652, †1732), war eine Cousine der dänischen Königin, wodurch sich die ganze Lage etwas vereinfachte. Damit wurde Graf Anton II. von Aldenburg Herrscher in Varel.
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ungefähre Lage der Christiansburg auf heutigem Stadtplan