Von Hexen und Demokratie

Im Spätmittelalter stand an dieser Stelle ein Haus, in dem der lutherische Geistliche und Dom-Pastor Heinrich Rimphoff (*1595/1596, †1655) lebte. Nachdem das Verdener Bistum durch die Reformation im Jahr 1568 evangelisch geworden war, bestand es dennoch weiter – als „protestantisches Bistum“. Die damals das Verdener Hochstift regierenden lutherischen Administratoren waren zwar vom Papst nicht mehr anerkannt, dennoch regierten sie das ehemalige Bistum weiter. Einer von ihnen war Heinrich Rimhoff. Traurige Berühmtheit erlangte Rimhoff durch seine gnadenlose Verfolgung von Hexen im Bistum Verden. Im Jahr 1647 war er die treibende Kraft in einem Hexenprozess, der für drei Frauen auf dem Scheiterhaufen endete. Drei weitere Frauen fanden während der Folter den Tod. Es ist ein dunkles Kapitel der Stadt. Nach dem Abriss des Hauses wurde 1832 der heutige klassizistische Bau errichtet. Im Jahr 1857 wurde hier die bedeutende Juristin, Aktivistin der bürgerlich-radikalen Frauenbewegung sowie Pazifistin Anita Augspurg (*1857, †1943) geboren. Bis heute kennen nur wenige diese herausragende Verdener Persönlichkeit. Anita Augspurg setzte sich nicht nur für Frauenrechte ein, sondern auch für die Demokratie und gegen das national- sozialistische Terrorregime des Dritten Reichs. Sie wurde als jüngste Tochter des Anwalts Wilhelm Augspurg geboren und besuchte von 1864 bis 1873 eine private Pensions- und Unterrichtsanstalt für Töchter in Verden. Von 1874 bis zur Volljährigkeit arbeitete sie in der Kanzlei ihres Vaters in Verden. Anschließend war sie in Zürich als Juristin tätig und erlangte als erste deutsche Bürgerin im Jahr 1897 die Doktorwürde in Jura. Im Jahr 1923 lebte sie mit ihrer Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann in Berlin und forderte bereits damals die Ausweisung von Adolf Hitler. Im Jahr 1933 kehrten Augspurg und ihre Lebensgefährtin nicht mehr von einer Reise aus der Schweiz zurück: sie wollten nicht unter dem damals entstandenen Terrorregime leben.