Fachwerkarchitektur
Außer einiger weniger Steinhäuser sind fast alle
Gebäude Wanfrieds Fachwerkbauten. Im
Mittelalter und in der Neuzeit waren sie die
günstigste Bauweise, denn man benötigte
Materialen, die man meist direkt vor Ort
bekam. Das Holz für die Fachwerkbauten
konnte man in den umliegenden Wäldern
schlagen, meist nutzte man Eichenstämme.
Nach den schweren Zerstörungen des
Dreißigjährigen Krieges, als weite Teile
Wanfrieds verwüstet wurden, entstanden die
heutigen Fachwerkbauten in der sogenannten
Rähmbauweise, auch Stockwerkbauweise. Die
Baumstämme der Innen- und Seitenwände
tragen die Hauptlast der Konstruktion und
werden als Ständer bezeichnet – sie sind
Namensgebend für diesen Fachwerkstil. Jedes
Stockwerk des Hauses wurde separat errichtet
und schließt unten mit der Schwelle und oben
mit einem Rahmen ab, der Rähm oder Pfette
genannt wird. Zwischen dem oberen Rähm und
der Schwelle des darüberliegenden Stockwerks
befinden sich die Deckenbalken – die
Balkenköpfe kann man von außen gut
erkennen. Diese vergleichsweise einfache
Holzkonstruktion erweist sich als erstaunlich
stabil und erlaubt deutlich mehr Stockwerke als
frühere Konstruktionen.
Das „Harmes’sche Handelshaus“ zählt zu den
schönsten Fachwerkhäusern der Stadt und
wurde um 1673 errichtet. In manche der
Fachwerkbalken wurden Fratzen geschnitzt.
Diese sollten Unheil vom Haus abhalten – es ist
ein Beispiel dafür, dass die Menschen bis in die
Neuzeit noch deutlich abergläubischer waren
als heute. Man kann nautische Symbole
entdecken, welche die für die rege Schifffahrt
auf der Werra stehen.
Benannt ist das Haus nach dem Bremer
Handelsmann Harmes, der das Haus Ende des
17. Jahrhunderts kaufte und zu einer
Handelsniederlassung umbauen ließ. Dies
verdeutlicht die Bedeutung der Stadt für den
hanseatischen Handel in Nordhessen: bis hier
war die Werra schiffbar und Handelswaren
konnten rasch ins benachbarte Thüringen
transportiert werden.
Um 1700 wurden kleinere Bauten im Garten
des Anwesens errichtet, um die Lagerflächen zu
erweitern. Nach dem mysteriösen Tod des
Handelsmanns wurde das Gebäude zu einem
Wohnhaus umgestaltet und befindet sich seit
dem 18. Jahrhundert in Familienbesitz der
Handelsfamilie Rexrodt.
Schräg gegenüber steht ein weiteres,
prächtiges Fachwerkhaus. Es wurde um 1650
errichtet und wird heute von der evangelischen
Gemeinde genutzt. An den Balken sind ganz
unterschiedliche Motive zu sehen: Tulpen als
Symbol für die Hoffnung und das Herz als
Zeichen der Liebe. Des weiteren sind religiöse
Symbole zu sehen, die möglicherweise auf die
Errichtung durch die Kirchengemeinde
hindeuten. Bisher gibt es hierfür jedoch keine
gesicherten Belege.
Reich verziertes Fachwerkhaus mit genasten
Mann-Figuren [1], Schiffsmotiv [2],
Flachschnitzereien [3] und figürlichen
Darstellungen [4] - teils mit Fischflossen und
Anker [5] oder als Engel [6]
Fachwerkhaus mit Ständerbauweise und
Rähmbauweise: Man sieht gut die
durchlaufenden Ständer bei der
Ständerbauweise. Die Rähmbauweise ist auch
von Außen gut an den Balkenköpfen und der
überkragenden Geschosse zu erkennen. Jedes
Geschoss verfügt über eine Schwelle und
schließt oben mit dem Rähm(holz) ab.