Gründerzeit

Westerstede war über Jahrhunderte ein kleines Kirchdorf mit wenigen hundert Einwohnern, welches stark landwirtschaftlich geprägt war. Abseits vieler größerer Fernhandelswege entwickelten sich Handel und Wirtschaft nur langsam. Die meisten Bewohner lebten von der Landwirtschaft, einige wenige Bewohner betrieben regional Handel mit landwirtschaft- lichen Erzeugnissen und Vieh. Bis in die Neuzeit wurden auf den Feldern rund um Westerstede vor allem die damaligen Grundnahrungsmittel angebaut: Roggen, Hafer und Gerste dominierten den Ackerbau, da sie auch auf den nährstoffarmen Geestrücken gut wuchsen. In feuchteren Niederungen kamen Flachs und gelegentlich Buchweizen hinzu. Gemüse spielte nur eine untergeordnete Rolle und wurde meist für den Eigenbedarf in kleinen Gärten gezogen. Die Viehhaltung, besonders Schafe, ergänzte die Landwirtschaft, lieferte einfachen Dünger für die Felder und bildete eine wichtige Einnahmequelle. Von der einsetzenden Industrialisierung in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert bemerkte man im ländlichen Westerstede zunächst kaum etwas. Die Region blieb weiterhin stark landwirtschaftlich geprägt. Nur langsam wurde die landwirtschaftliche Arbeit durch den Einsatz neuer Technik vereinfacht. Mit dem Bau besserer Straßen wurde beispielsweise der Transport deutlich einfacher. Zudem entstanden Ziegeleien, Molkereien und Sägewerke, der Beginn der ländlichen Industrie. Dadurch entwickelten sich auch neue Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und die Lebensverhältnisse im Ammerland verbesserten sich allmählich. Mit der sich verändernden wirtschaftlichen Lage vieler Bewohner von Westerstede änderte sich auch das Wohnen. Dies spiegelt sich auch in der Architektur dieser Zeit wider. Neue Wohn- und Geschäftshäuser entstanden, die häufig aufwändig gestaltet waren, ganz typisch für diese Zeit. Zahlreiche Fassaden wurden mit Stuck, Erkern, Ziergiebeln und dekorativen Balkonen geschmückt, um den steigenden Wohlstand in der damals entstehenden bürgerlichen Schicht zu zeigen. Diese Bauten prägen bis heute das Stadtbild von Westerstede. Sie geben einen kleinen Einblick in das Selbstverständnis und die Lebensweise der Menschen dieser Zeit.