Heilig Blut und die Legende

des Hostienfrevels

Durch die lange jüdische Geschichte Iphofens zieht sich auch der christliche Antisemitismus. Mit dem Rintfleischpogrom von 1298 begann die christliche Glaubensgemeinschaft gezielt, jüdische Bewohner Iphofens zu diskreditieren und zu vertreiben. Der christliche Antisemitismus entstand durch eine Kombination aus religiöser Abgrenzung, theologischen Fehlinterpretationen und gesellschaftlichen Spannungen. Verstärkt und verbreitet wurde er über Jahrhunderte durch kirchliche Lehren und Predigten. Im Bereich der heutigen Heilig Blut Kirche soll es kurz nach dem Rintfleischpogrom zu einem sogenannten Hostienfrevel gekommen sein. In einem verlassenen Haus eines jüdischen Bürgers fand man der Legende nach auf wundersame Weise drei Hostien. Wenige Jahre später wurde anstelle des jüdischen Hauses eine Heilig Blut Kapelle errichtet. Diese ursprüngliche Version wurde im 17. Jahrhundert häufiger verändert und verschärft, während die frühere Legende in Vergessenheit geriet. Laut der „zweiten Iphöfer Hostienfrevellegende“ ist dann von durchstochenen und blutenden Hostien die Rede. In Iphofen wurde daraus eine ähnliche Fassung formuliert, die Pfarrer Stumpf 1674 in sein Mirakelbuch (Sammlung von Wunderberichten) aufnahm. Es gibt noch weitere Versionen, was verdeutlicht, dass diese Legende immer wieder an den jeweiligen Zweck angepasst wurde. In der ortsansässigen Bevölkerung wurden diese Version von Pfarrer Stumpf als historische Realität betrachtet und sogar vom Stadtrat mit dem Stadtsiegel bekräftigt. Sie stärkte den aus Wirtschaftsinteressen getriebenen Judenhass, vertrieb wohlhabende Juden aus der Stadt und sorgte zugleich für eine rege Wallfahrtstätigkeit. Diese Wallfahrten spülten Geld in die Kassen von Stadt und Kirchengemeinde. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu einem verstärkten Antisemitismus, woraufhin neue Erzählungen entstanden. Bis heute lebt die Legende des Hostienfrevels weiter. Auch wenn es kaum mehr Wallfahrten gibt, ist es noch immer ein kompliziertes Thema. Die wissenschaftliche Aufarbeitung und eine Auseinandersetzung mit der Legende hat gerade erst begonnen 1 .
Auf unsachgemäß gelagerten Teigwaren siedelen sich gerne mal Pilze und Bakterien an. Ein Bakterium (Serratia marcescens) verursacht eine rötliche Färbung bzw. entwickelt auch eine rote Flüssigkeit. Dieses Bakterium war den Menschen damals noch nicht bekannt – ihm wurden zahlreiche Blutwunder zugeschrieben.

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https://hdbg.eu/juedisches_leben/gemeinde/iphofen/1219, abgerufen am

29.01.2025

Unter dem Altar der Kirche ist bis heute ein Spinnennetz zu sehen. Das Spinnennetz wird in antisemitischen Erzählungen als Symbol für angebliche jüdische Machtnetzwerke verwendet. Es suggeriert, dass Juden geschickt Fäden ziehen, um Gesellschaften, Politik und Wirtschaft zu kontrollieren. Die Assoziation mit der hinterlistigen Spinne, die beinahe unsichtbar „ihr Netz spinnt“, verstärkt das Bild von Bedrohung und Heimtücke.
Zweite Iphöfer Hostienfrevellegende In dieser Version verkaufte ein Mann eine geweihte Hostie an eine Gruppe jüdischer Menschen. Diese zerschnitten sie absichtlich in der Osternacht und warfen anschließend die blutende Hostie in die Latrine. Dort wurde sie von einem Spinnennetz aufgefangen und machte sich dort durch Leuchten bemerkbar. Ein Nachtwächter befürchtete ein Feuer, stellte die Täter, die daraufhin verhaftet und hingerichtet wurden.
Pariser Legende als Grundlage Grundlage für die blutreichere Variante war vielerorts eine Legende, in der ein in Paris lebender Jude von einer christlichen Magd für viel Geld eine geweihte Hostie kaufte und diese dann mit anderen Menschen jüdischen Glaubens zu zerstören versuchte. Als dies schließlich gelang, ist die Hostie in drei Stücke zerfallen und habe zu bluten begonnen.
ursprüngliche Version der Hostienlegende Zwei Kinder schauten durch die Ritzen eines leerstehenden Hauses eines jüdischen Bürgers und sahen darin eine Frau und einen wunderschönen Jungen. Erwachsene konnten die Erscheinungen nicht wahrnehmen. Kurz darauf fand ein Priester an dieser Stelle drei vergrabene Hostien. Man interpretierte dies als Zeichen Gottes und beschloss, an dieser Stelle eine Kirche zu errichten.